Barbara Felten ist Herausgeberin des FrauenBranchenBuchs für Hannover und die Region. Seit über 20 Jahren erscheinen die „Gelben Seiten“, in denen nur von Frauen geführte Unternehmen verzeichnet sind. Ich habe mit Frau Felten darüber geredet, warum heute nur scheinbare Gleichstellung herrscht und was Gründerinnen anders machen.
Anne-Luise Lübbe: Hallo Frau Felten. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Interview nehmen. Stellen Sie sich doch bitte erst mal den Leser_innen vor. Arbeiten Sie hauptamtlich für das FrauenBranchenBuch oder üben Sie noch eine andere Tätigkeit aus?
Barbara Felten: Ich arbeite hauptberuflich als Fundraiserin für einen gemeinnützigen Verein in Hannover. Wir kümmern uns dort um sogenannte sozial benachteiligte Jugendliche. Ich werbe dort zu den institutionellen Geldern Spenden und Unterstützungen von Stiftungen ein, die dann in Projekte fließen.
Anne-Luise Lübbe: Ein Branchenbuch nur für Frauen. Ich kann mir schon vorstellen, dasseinige fragen werden: Gibt es das dann auch für Männer? Warum ist so ein Projekt heutzutage noch wichtig, wo scheinbar Gleichstellung herrscht?
Barbara Felten: Die Betonung liegt auf „scheinbar“. Meiner Meinung hat sich immer noch zu wenig verändert. Sowohl in der Führung von Unternehmen als auch in der Unternehmensgründung sind Frauen in Deutschland bis heute noch unterrepräsentiert. Die Statistiken beweisen, dass es nach wie vor ein großes Ungleichgewicht gibt und Frauen andere Schwerpunkte und Werte in ihrer Unternehmensführung setzen, als ihre männlichen Mitbewerber. Auch gründen Frauen überdurchschnittlich häufig im Dienstleistungssektor, besonders im Gesundheits- und Sozialwesen, sowie im Handel.
Es ist auch ein gesellschaftliches Problem. Das zeigt ein Blick in die Tageszeitung, die Nachrichten oder auch Talkshows. Wenn es um die Berichterstattung über „wichtige“ oder erfolgreiche Personen geht, wird oft über Männer berichtet, meist sind Männer auf den Fotos oder in den Filmen zu sehen. Nicht umsonst gibt es immer noch viele verschiedene Initiativen von Frauen, die sich für mehr Gleichberechtigung einsetzen, wie fidar, die sich für mehr Frauen in Aufsichtsräte, einsetzen oder proOuote, die eine verbindliche Frauenquote von 30 Prozent auf allen Führungsebenen bis 2017 – in allen Print- und Onlinemedien, TV und Radio fordern.
Es gilt, neue eigene Wege zu finden, Frauen in ihrem Tun zu stärken. Ich möchte mit dem FrauenBranchenBuch und allem was dazu gehört Unterstützung geben, dass sich ein selbstbewusstes und vielfältiges Unternehmerinnentum entwickeln kann.
Anne-Luise Lübbe: Das FrauenBranchenBuch hat 2016 zwanzigjähriges Jubiläum gefeiert. Wie kamen Sie damals auf die Idee? War es leicht, das Projekt in die Tat umzusetzen? Gab es Unterstützer_innen, denen Sie heute dankbar sind?
Barbara Felten: Nach meinem Studium habe ich erstmal gejobbt und bin bei der Recherche von Frauenprojekten auf das Bremer FrauenBranchenBuch gestoßen, die Idee fand ich gut. Aus eigener Erfahrung wusste ich, wie schwierig es ist, gezielt zum Beispiel eine Frau als neue Ärztin oder auch Steuerberaterin oder was auch immer zu finden. Ich recherchierte und fand sehr viele Unternehmen in Frauenhand, aber es kostete Zeit und viel Überzeugungskraft, die ersten Inserentinnen zu finden. Von offizieller Seite gab es leider nicht viel Unterstützung. Bis auf die damalige Frauenbeauftragte des Kommunalverbandes Hannover, die heutige Region. Sie hat mich sehr stark ermutigt und gefördert.
Die erste Ausgabe war finanziell eine rote Null, so dass ich beschloss weiterzumachen, trotz des Jobs, den ich dann schon hatte.
Anne-Luise Lübbe: Wie haben sich die Unternehmerinnen, die Sie kennengelernt haben, im Laufe der letzten 20 Jahre verändert? Sind die Bedingungen und Motivationen noch ähnlich oder gibt es Unterschiede?
Barbara Felten: Zu Beginn trauten sich viele Unternehmerinnen nicht, sich quasi öffentlich zu präsentieren. Das waren sie nicht gewohnt. Ihr guter Ruf würde sich schon rumsprechen. Auch als das Internet aufkam und immer bedeutender wurde, hinkten die Frauen hinterher. Deshalb habe ich ganz früh eine Internetseite erstellen lassen und dort alle Inserentinnen des FrauenBranchenBuchs präsentiert.
Dieses Werben für sich fällt heute auch noch vielen Frauen schwer.
Anfangs waren es oft frauenbewegte Gründerinnen und Unternehmerinnen, die sich für eine Plattform, auf der sich nur Frauen präsentieren können, begeisterten. Und es waren viele Frauen, so ab 40 Jahren, die schon ein Berufsleben hinter sich hatten und gemerkt hatten, dass sie als Angestellte nicht weiter kamen.
Heute gründen auch junge Frauen, was ich ganz toll finde. Viele inserieren aber nicht in einem reinen BranchenBuch für Frauen, weil sie meinen, dass sie ja gleichgestellt sind. Wenn sie dann eine Weile dabei sind, merken einige, dass es nicht stimmt und machen dann bei uns mit.
Anne-Luise Lübbe: Für Inserentinnen und Interessierte gibt es immer wieder Veranstaltungen. Unter dem Label „FrauenBranchenBuch aktiv“ organisieren Sie auch Events, bei denen Ihre Inserentinnen ihr Wissen einbringen oder selbst Veranstalterinnen sein können. Erzählen Sie uns doch bitte etwas mehr dazu.
Barbara Felten: Mir wird ja nachgesagt, dass ich neugierig bin. Das stimmt und ich bin mittlerweile froh darüber. Denn ohne meine Neugier hätte ich einiges nicht kennengelernt. So bin ich auch neugierig auf das, was die Inserentinnen so anbieten. Also z.B. was macht denn eine Bestatterin? Wie ist es sich jeden Tag mit dem Tod zu beschäftigen? Oder eine Heilpflanzenexpertin – was kann sie vermitteln? So haben wir uns im Team diese Reihe ausgedacht. Wir würden gerne auch mal zu Ihnen in die BH Lounge kommen. Sie überlegen sich, wie Sie sich und Ihr Angebot präsentieren möchten, wir laden dazu ein und machen die Orga rundherum. Ist das ein Angebot?
Anne-Luise Lübbe: Klingt gut. Wenn ich befreundeten Unternehmer_innen von Ihren Visitenkartenpartys erzähle, sage ich meistens, dass sie untypische Netzwerkveranstaltungen sind. Gerade von Gründer_innentreffen kenne ich es so, dass alle hauptsächlich ihr eigenes Produkt verkaufen wollen. Wie läuft so eine Visitenkartenparty ab und was macht sie so anders?
Barbara Felten: Naja, auch bei den VisitenkartenPartys geht es zum Teil darum, seine Produkte oder Dienstleistungen an die Frau zu bringen. Aber nicht ausschließlich und an erster Stelle. Alle Teilnehmerinnen sind viel mehr am persönlichen Kennenlernen interessiert und interessieren sich füreinander. Zum Teil suchen sie gezielt Netzwerke mit Frauen, weil sie mit anderen zusammen arbeiten möchten oder sie selbst „Einzelkämpferinnen“ sind oder in männerdominierten Berufen arbeiten.
Und die Stimmung ist immer entspannt. Vielleicht liegt es daran, dass es zu Beginn der Party eine Vorstellungsrunde gibt. Hier steht für eine Minute nur eine Frau im Mittelpunkt und kann über sich erzählen, über ihr Business oder was ihr Anliegen ist. Danach wissen die Teilnehmerinnen schon viel übereinander. Nach dieser Solo-Runde geht es mit einem kleinen Snack und Getränken in die Gespräche. Oft ergeben sich schon in der Einstiegsrunde Berührungspunkte. Zum Beispiel: eine Frau erzählt, dass sie Steuerberaterin ist und eine andere ist Gründerin und sucht dringend eine Steuerberaterin. Oder eine Frau hat in ihrer Praxis zeitweise einen Raum frei und eine andere braucht gerade einen. Es ist auf jeden Fall jedes Mal wieder sehr lebhaft, interessant und zugewandt. Ich kann es deshalb auch nicht verstehen, wenn andere behaupten, dass Frauen meist zickig miteinander umgehen, ich erlebe bei den VisitenkartenPartys genau das Gegenteil.
Anne-Luise Lübbe: Den Begriff „Netzwerk“ empfinde ich inzwischen als verbrannt. „Ich würde mich freuen, wenn wir uns vernetzen“ ist häufig ein Synonym für „Lass mich deine Xing-Karteileiche sein“. Oder wie sehen Sie das?
Barbara Felten: Egal wie Sie es nennen, Netzwerken, Klüngeln, Networking … wichtig ist wir tun es. Es ist für mich mit Lebendigkeit, Unterstützung und guten Kontakten verbunden. Ich habe soviel nette und kompetente Frauen über Netzwerken kennengelernt, die möchte ich einfach nicht missen.
In den digitalen Netzwerken mag es ja viele Leichen geben, oft kennen sich die Personen gar nicht. Aber wenn Sie mal persönlich mit einer Frau gesprochen haben, bleibt der Eindruck dauerhafter und es fällt mir auf jeden Fall leichter, mal anzurufen, wenn ich eine Frage habe.
Anne-Luise Lübbe: Die Entscheidung für oder gegen eine Selbstständigkeit ist oft ein längerer Prozess. Welche Überlegungen sind heute für Unternehmerinnen besonders wichtig, um dauerhaft am Markt bestehen zu können. Was würden Sie Gründungsinteressierten mit auf den Weg geben?
Barbara Felten: Ein gutes Konzept ist wichtig und alle, die gründen sollten Feuer und Flamme für ihr Unternehmen sein, voll dahinter stehen und viel Zeit einkalkulieren. Auf jeden Fall für die ersten Jahre gibt es keine 40-Stunden-Woche.
Das aktuelle FrauenBranchenBuch liegt übrigens bei mir in der BH Lounge aus, ein paar Exemplare zum Mitnehmen gibt es noch.
Für die kommende Ausgabe 2017 werden noch bis zum 15. Januar 2017 Anzeigen entgegen genommen. Die Preisliste mit den verfügbaren Formaten gibt es hier:http://www.sieh-hier.de/mitmachen/mediadaten-druck/
Das FrauenBranchenBuch im Internet:
https://www.facebook.com/FrauenBranchenBuch-Hannover-Umgebung-1513245928977719/