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politisch

Anne-Luise steht neben einem Plakat, auf dem "AfD Verbot Jetzt" steht

Warum muss es auf den Social Media Accounts des BH Ladens eures Vertrauens um politische Themen gehen? Weil vieles von dem, was wir machen, politisch ist. Und weil es jetzt höchste Zeit ist, den Mund aufzumachen.

Wir sind ein kleiner Laden und wir verkaufen Unterwäsche. Wer einen passenden BH, Bademode oder Nachtwäsche sucht, kann zu uns kommen und bei uns im Laden eine gute Zeit verbringen. Es läuft ein bisschen Musik, man kann rumgucken und sich beraten lassen. Sich mit der Schwester treffen und gemeinsam shoppen, den ersten BH kaufen oder das passende Darunter für die Hochzeit finden. Was hat das mit Politik zu tun?

Auf den ersten Blick nichts, auf den zweiten Blick so einiges.

Anne-Luise steht neben einem Plakat, auf dem "AfD Verbot Jetzt" steht

Es fängt damit an, dass wir Ware aus recycelten Garnen einkaufen, Verpackungsmüll sparen – nahezu alle Versandkartons sind gebraucht und werden mehrfach wiederverwendet – und was gegen Fast Fashion haben. Und Dinge wie Periodenslips anbieten, eine nachhaltige Alternative zu Tampons und Binden. Wir sehen, dass die Klimakrise längst da ist. Dazu habe ich schon vor einigen Jahren etwas geschrieben, als wir auf unserer ersten Fridays for Future Demo waren. Uns ist außerdem wichtig, dass Menschen Kleidung kaufen, von der sie lange was haben und die sie dann auch wirklich tragen. Lieber erzählst du deiner besten Freundin davon, dass es hier was Gutes gibt, als dass wir dir noch 10 Teile andrehen, von denen du 9 nicht trägst und wegwirfst. Politisch.

Ein weiteres Thema, was uns sehr wichtig ist, ist faire Bezahlung. Für uns und für die Personen, die unsere Waren entwickeln und nähen. Damit das gegeben ist, müssen BHs bei uns teurer sein, als bei großen Ketten oder Onlineshops. Wir können und wollen nicht so viele BHs pro Stunde umsetzen, wie Hansi und Mausi, weil dann die Beratung nicht leistbar wäre. Wir haben höhere Einkaufspreise, weil wir Zwischenhändler*innen mitbezahlen und schlechtere Einkaufsbedingungen haben, als die Großen. Und es muss mehr als Mindestlohn für alle geben, die hier arbeiten (für alle Angestellten klappt das gut, für mich manchmal :D). Das bedeutet jedoch auch, dass gut passende Unterwäsche und Bademode nicht für alle bezahlbar sind, die hier einkaufen möchten. Weil wir finden, jede Person sollte Zugang zu gut passender Wäsche bekommen und da das mit der Umverteilung ja noch etwas dauert, haben wir uns was überlegt. Kund*innen können bei uns Spendengutscheine kaufen. Armutsbetroffene können uns den Betrag nennen, den sie zahlen können (und wenn das 5€ sind, dann ist das so!). Der Rest wird aus den gespendeten Gutscheinen bezahlt. Darauf gebracht haben uns tatsächlich liebe Kund*innen. Zwei von Ihnen haben uns mal mehr überwiesen und gesagt: “Ihr findet sicher jemanden, wo das Geld gerade etwas knapper ist, für die*den ihr das anrechnen könnt”. Tränen in den Augen. Politisch.

Ursprünglich war das alles nicht so geplant. Diese Haltung zu politischen Themen hat sich daher entwickelt, woher wir kommen. Aus der Fat Acceptance, dem Gedanken, dass Menschen mit hohem Gewicht Respekt verdienen, genauso wie Menschen mit weniger Gewicht. Es fing damit an, auch mal Bilder von dicken Personen zu zeigen auf Social Media. Und Wäsche für dicke Personen anzubieten. Die Größen haben sich nach allen Seiten verbreitet, Menschen mit sehr kleinen Größen und mit sehr großen können hier etwas anprobieren. XXS bis 9XL. Auch wir haben Kerngrößen, die wir oft verkaufen, weil viele Menschen diese Größen tragen. Durchschnitt eben. Damit machen wir den meisten Umsatz. Doch niemand mag es, in einen Laden zu kommen und zu hören “Also, mit ihrem Körper? Nee”. Oft gibt es abwertende Bemerkungen. Dem Verkaufspersonal ist es unangenehm, dass nichts da ist. Die Reaktion ist leider oft, dass dann der Körper als das Problem ausgemacht wird, nicht das Angebot. Noch unangenehmer ist es für die Kund*innen. Das möchten wir euch ersparen. Jeden Person sollte das Gefühl haben, das es zumindest etwas gibt, was sie mit in die Kabine nehmen kann und was auch ganz normal im Verkaufsraum hängt, nicht in irgendeiner hintersten Schublade. Es wäre günstiger für uns, wenn wir Randgrößen nicht einkaufen würden. Wenn wir nicht das ganze Spektrum vom 60 bis 130, von AA-O Körbchen da hätten. Aber es ist uns wichtig, das anzubieten. Politisch.

Wenn man sich ein bisschen mit der Geschichte der Körperakzeptanz beschäftigt, erfährt man schnell, dass die “Body Positivity” ihren Ursprung in der Fat Acceptance Bewegung hat, die es seit Ende der 60er Jahre gibt. Den Aktivist*innen ging es nicht nur darum, dass alle mal schön sein dürfen, sondern um die Basics. Dass jeder Mensch eine Würde hat und Respekt verdient, unabhängig vom Gewicht. Dass Diskriminierung real ist und aufhören muss. Und dass das Einsetzen für die eigenen Rechte immer gemeinsam mit allen gedacht werden muss, die von Beschämung und Unterdrückung betroffen sind. Denn oft ist eine Person eben nicht nur dick, sondern auch dick und Schwarz. Oder Schwarz und alt. Oder alt und lesbisch.

Ein ganz konkretes Beispiel: Der BMI (Body-Mass-Index), der oft dafür herangezogen wird, um die Gesundheit und Schönheit, die Eignung zu Arbeit (ab einem gewissen BMI wirst du z.B. nicht verbeamtet) oder ganz allgemein den Wert einer Person zu beurteilen, wurde nicht etwa von ärztlichem Fachpersonal, sondern von einem Mathematiker entwickelt. Adolphe Quetelet wollte mit diesem Index den “mittleren Menschen” beschreiben. Dabei stützte er sich auf Studien, in denen Diversity nicht unbedingt vorkam. Mittelalte westeuropäische Männer nahmen teil. Dass der Durchschnitt zum Beispiel je nach Alter, Herkunft oder Geschlecht abweichen kann, fand keine Beachtung. Insbesondere Schwarze Menschen waren und sind davon betroffen. Die Geschichte des BMI ist auch eine Geschichte voller Rassismus. Wer sich zu dem Thema bilden möchte, kann das am besten bei der NAAFA (National Association to Advance Fat Acceptance), der ältesten Organisation für die Akzeptanz dicker Menschen. Vorsitzende Tigress Osborn habe ich auf der Weight Stigma Conference kennenlernen dürfen. Wer den Zusammenhang zwischen Gewichtsdiskriminierung und Rassismus vertiefend verstehen möchte, kann dies im Webinar mit Tigress und Autorin Sabrina String (die das gleichnamige Buch geschrieben hat): Fearing the Black Body, The Racial Origins of Fat Phobia

Ich fand es schockierend und unglaublich, als ich mich tiefer mit der Geschichte der Vorurteile über dicke Personen beschäftigt habe. Rassismus spielt wie so oft eine große Rolle. Das hat mich dazu gebracht, auch bei meinen eigenen Schubladen nochmal genauer hinzuschauen. Und mir fiel damals sehr peinlich berührend auf, wie selbstverständlich ich immer angenommen hatte, dass ein BH in “Haut” natürlich die Farbe Beige hat. Die Farbbezeichnung wurde so gewählt, weil die Farbe der eigenen Hautfarbe ähnelt und somit unter heller oder durchscheinender Kleidung verschwindet. In Beige funktioniert das nur für weiße oder weiß gelesene Menschen. Die Hautfarben von Menschen sind aber vielfältig. Die Farbe “Haut” nur für BHs für Weiße festzulegen, ist rassistisch. Die Annahme blendet alle anderen Menschen einfach aus. Damals hab ich entschieden: Es sollen alle Menschen die Möglichkeit bei uns bekommen, in einer für sie passenden Farbe Unterwäsche zu bekommen, die sie unter heller Kleidung verschwinden lassen können. Von Hellbeige bis Dunkelbraun. Das ist in manchen beruflichen Kontexten ein großes Thema und natürlich auch, wenn privat gerne helle Kleidung getragen wird. Fast jede Person, die zu uns kommt, fragt danach. Es war für mich ein wichtiges Learning, meine eigenen rassistischen Annahmen zu hinterfragen und wegzuwerfen. Es freut mich, dass auch Herstellende inzwischen oft ihre Basics in Schwarz, Beige und Braun anbieten. Und dass viele die Farbbezeichnungen dafür geändert haben. Oft habe ich das Argument gehört: “Aber das kauft ja niemand”. Mag sein. Wenn es nicht sichtbar ist, dass du auch BHs in Braun anbietest, woher sollen Menschen das dann wissen? Zu zeigen, dass das mitgedacht wird und es auch bei fehlender Nachfrage aber offensichtlichem Bedarf einkaufen: Politisch.

Personen, die in den Werbekatalogen der Wäschewelt fast keine Repräsentation finden, aber oft Fachgeschäfte aufsuchen, sind Personen mit Behinderung und/oder (chronischen) Erkrankungen. Wer durch eine Brust-Operation eine oder beide Brüste verloren hat, benötigt BHs, die gut an die inviduelle Form angepasst und/oder besonders hautfreundlich sind. Wer die meiste Zeit des Tages sitzend oder liegend verbringt, hat andere Anforderungen an einen BH als eine Person, die viel steht oder geht. Je nach Beschaffenheit der Schulter oder Beweglichkeit der Arme kann ein BH mit Vorderverschluss gut sein. Aber auch da gibts einiges zu bedenken: Nicht jede*r kann 27 kleine Häckchen zumachen. Je nach Motorik oder Sehkraft kann es gut sein, auch Optionen mit einfachen Verschlüssen anzubieten. Die aber trotzdem halten sollen. Und gefallen sollen. Nicht jede Person mag den “Sanitätshauslook”. Manche finden reduzierte, funktionale Wäsche aber gerade gut. Auch hier gilt – kennst du den Wunsch eines Menschen, kennst du diesen einen Wunsch dieses spezifischen Menschen. Und wie erklärst du noch gleich am Besten einer blinden Person, wie ein BH richtig sitzen und angezogen werden sollte? Und wie einer tauben Person? Politisch.

Schon seit über 10 Jahren kommen trans Frauen zu uns, auf der Suche nach schönen BHs. Sie erzählten, dass es sonst in Wäschegeschäften immer schwierig sei, etwas zu finden. Sowohl bzgl der Größen, aber auch, weil einigen die Beratung verwehrt worden war. Unangenehme Blicke, falsche Pronomen und Nachfragen nach dem Geschlecht inklusive. Das fand ich richtig schlimm und habe mich so geehrt gefühlt, dass sie das Vertrauen hatten, hierher zu kommen. Ich habe mir viele Gedanken um das Sortiment gemacht, weil einige gerade zu Beginn ihrer Transition Wäsche in kleinen Körbchengrößen und großen Umfängen benötigten. Leider geht das Angebot oft davon aus: Wer einen Umfang über 85 benötigt ist ja dick und hat deshalb auf jeden Fall große Brüste :D Fat Phobia spielt auch hier wieder eine Rolle, obwohl es bei manchen trans Kund*innen gar nicht um hohes Gewicht ging. Naja. Wir haben auf jeden Fall was gefunden. Und es freut mich und uns immer noch besonders, wenn trans Personen hierher kommen. Den Moment mitzuerleben, in dem eine Person sich, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben, sieht, wie sie schon immer war, ist schön. Und politisch.

Vor einigen Jahren haben wir entschieden, Binder ins Sortiment zu nehmen. Falls ihr den Begriff noch nicht kennt: Ein Binder ist ein Bustier oder Top mit einer verstärkten Vorderseite, die dafür sorgt, dass die Brust abgeflacht aussieht. Sie sind für zum Beispiel für trans Männer, inter und nichtbinäre Personen gemacht. Für Menschen, die eine Brust haben und diese (nur manchmal oder immer) nicht sichtbar haben möchten. Ein Binder ist zugleich normale Unterwäsche und ein existentiell wichtiges Kleidungsstück für manche Menschen. Es ist wichtig, dass er gut passt, damit er bequem und sicher getragen werden kann. Weil es noch sehr wenige Orte gibt, wo Menschen sich dazu beraten lassen und in Ruhe Binder anprobieren können, haben wir uns dazu entschieden, sie einzukaufen. Politisch.

Politisch zu sein, ist mit höheren Kosten verbunden. Das ist so, in allen angesprochenen Bereichen. Es bedeutet, mehr und spezifischere Waren da zu haben. Auch die Unicorns unter den BHs. Das ist manchmal teurer und manchmal mussten wir lange suchen um das Passende zu bekommen. Oder uns zumindest bilden, um Personen Tipps geben zu können, wo sie das Passende finden können. Politisch zu sein bedeutet, sich und das Team zu educaten, um nicht nur den westeuropäischen mittelalten Mann gut beraten zu können. Das ist ein ständiger Prozess und obwohl ich mich schon seit fast 15 Jahren mit BHs beschäftige, lerne ich immer wieder was dazu.

Politisch zu sein bedeutet, die eigenen Vorurteile und Prägungen immer wieder mal anzuschauen. Auch wenn das wehtut und man sich für manche Sachen im Nachhinein schämt. Das ist normal und es gehört zum Weiterlernen dazu. Auch wenn ich mir natürlich wünschen würde, dass ich alles bedenke und von Anfang an die richtigen Worte finde – es ist menschlich, dass das nicht so ist. Ich werde niemals wissen, wie es für eine taube Schwarze Person ist, in unseren Laden zu kommen. Oder für einen queere alten Menschen. Ganz einfach, weil ich nicht diese Person bin. Ich kann nicht in ihren Schuhen wandern. Aber ich kann zuhören, aufmerksam sein, was lernen. Perfekt sein können wir nicht. Aber nochmal reflektieren und Sachen anders machen, das können wir.

Politisch zu sein bedeutet, sich für die eigenen Werte einzusetzen, sie zu leben, auch wenn man dafür mal was abkriegt. Im Herbst 2023 habe ich auf X (ehemals Twitter) diesen Post veröffentlicht:

Screenshot eines Posts des Accounts @bh_lounge auf X. Profilbild von Anne-Luise. Accountname: "BH Lounge. Icon des Twitter Vogels. Anne-Luise (sie/i...@bh_loun... 21.Sep." Text: "Um das nochmal deutlich zu sagen: Bei uns gibts für alle, die einen passenden BH tragen wollen, den passenden BH. Außer für Faschisten. Die kriegen hier nichts. Queerfeindliche Äußerungen, Rassismus, Ableismus und Gewichtsdiskriminierung haben bei uns keinen Platz." Bild: Anne-Luise steht vor einer Kommode, auf der eine Schaufensterpuppe steht. Im Hintergrund eine rosa Tapete mit 80er Jahre Muster. Anne-Luise hat die Hand in die Hüfte gestützt und schaut freundlich bis streng.

Ich dachte, das sind Selbstverständlichkeiten, die man ja immer mal wieder betonen kann. Wir haben für diese Selbstverständlichkeiten richtig kassiert. Und zwar keine hohen Kassenbons, sondern Hass und Hetze. Nach anfänglichen Danke-Drukos* kamen irgendwann Replys und Drükos*, die uns wünschten, dass wir pleite gehen. Accounts kommentierten unter alten Facebookposts random drunter, dass Menschen nicht bei einem öko-faschistischen Laden wie unserem kaufen sollten. Es gab 1-Stern-Bewertungen auf Google von Menschen mit Stolzmonat-Flaggen im Profilbild. Die Kritik: Es sei faschistisch von uns, eine “Gesinnungskontrolle an der Eingangstür” durchzuführen. “Ich mochte den Laden, als sie noch nicht so woke waren”, schrieb jemand. “Nimm erstmal ab, du Fette!” schrieb ein*e andere*r.

Diese Reaktionen waren krass. Aber sie sind immer gleich. Erst geht es um mangelnde Toleranz mit den Intoleranten. Den Unwillen, sich zu ändern, nur damit andere sich genauso wohlfühlen, wie man selbst. Und dann wirds eklig. Auch wenn das nicht das erste Mal war, dass wir Hasskommentare bekommen haben, es macht was mit einem, so etwas zu lesen. Es hilft, sich bewusst zu machen, dass es hier nicht um sachliche Kritik geht. Wer schon mal versucht hat, mit rechten Trollen online zu diskutieren, kann ein Lied davon singen. Sie ernähren sich von Empörung. Jede Aufmerksamkeit ist für sie gute Aufmerksamkeit. Und damit sie diese Empörung auch bekommen, wählen sie ihre Worte bewusst. Sie haken mit gewaltvoller Sprache genau da ein, wo sie vermuten, dass es uns wehtut. Wer sich für Menschenwürde und Freiheit einsetzt, bekommt gesagt, dass er*sie die Meinungsfreiheit beschränke. Wird man ja wohl noch sagen dürfen. Und natürlich ist auch immer ein billiges Mittel der Wahl, Menschen mit Kommentaren zu ihrem Äußeren anzugreifen. Deshalb kamen zu diesem Post, auf dem ich als dicke Person zu sehen bin, eine Auswahl der üblichen gewichtsdiskriminierenden Kommentare. Es geht den Kommentierenden um Desinformation, sie möchten Stören und Verletzen. Diese Bühne möchten wir nicht bieten, nicht unter unseren Posts und natürlich erst recht nicht bei uns im Laden. Wir wechselten uns ab mit Blocken und Moderieren.

“Aber muss das denn sein, dass ihr sowas öffentlich schreibt? Reicht es nicht aus, was zu sagen, wenn mal im Laden sowas ist?”

Ja, ist das nicht ein bisschen übertrieben? Ist es nicht schon gut genug, ab und zu ein paar Bilder von dicken Frauen zu posten und sich für die Schönheit dieser Menschen auszusprechen? Bisschen Body Positivity zum Wohlfühlen eben. Nein, wir finden, dass das nicht reicht. Wir arbeiten in einem sensiblen Bereich. Wer zu uns in die Umkleide kommt, macht sich nackt. Und gerade deshalb ist es uns wichtig, eine geschützte Atmosphäre zu schaffen. Body Acceptance bedeutet für uns, dass alle Menschen sich mit ihrem Körper und ihrer Identität so angenommen und gesehen fühlen können, wie sie sind.

Oft sind Kund*innen überrascht, dass sie hier keine abwertenden oder fragenden Blicke erfahren, sondern eine Beratung, wie alle anderen sie auch bekommen. Wir müssen für die Beratung nicht wissen, wo die Person im Leben struggelt. Aber oft erfahren wir Überraschung und Freude, dass die Abwertung ausbleibt. Menschen erzählen uns, dass sie schon andere Erfahrungen machen mussten. Manche schreiben uns auch vorher, um sich abzusichern, ob es in Ordnung ist, hier vorbeizukommen. Das macht uns immer wieder betroffen und zeigt uns, dass es uns was angeht. Dass wir uns positionieren müssen.

Anne-Luise hält ein Schild mit Text: "Ich bin aus Anstand Antifaschisting geworden. Marlene Dietrich."

Gerade in den letzten Monaten und Wochen ist es hierzulande nochmal kälter geworden. Menschenwürde und Demokratie werden in Frage gestellt, zugunsten von Populismus rücken wichtige gesellschaftspolitische Fragen in den Hintergrund. Mit Fakten kommt man oft nicht mehr an und viele Menschen sehnen sich nach einfachen Wahrheiten. Nach 1 oder 0, Ja oder Nein, an oder aus. Dabei besteht die Welt nicht nur aus Schwarz und Weiß, das Bunte und die Graustufen dazwischen sind doch auch viel spannender und machen das Miteinander erst vielfältig und schön.

So erleben wir es im Laden. Und es besorgt uns, dass all diese bunte Vielfalt in Gefahr ist. Dass Menschen einfach Angst haben. Eine Zukunft vor sich sehen, in denen ihre Würde nicht gewahrt ist. Und in der sie Respektlosigkeit, Einschränkungen und Diskriminierung noch mehr ausgesetzt sind, als das jetzt bereits der Fall ist. Sie haben Sorge, dass ihre Mitmenschen einfach wegschauen, ihre Menschlichkeit vergessen.

Uns im Team betrifft das alles direkt. Wir alle kennen trans und nicht-binäre Personen, Menschen mit Migrationsgeschichte, Dicke und Asexuelle, Kranke, Neurodiverse, Schwarze Menschen, People of Colour, Arme, Lesben, Schwule und Bissexuelle. Genderfluide und Blinde, Autist*innen und Taube, Aromantische und Alte. Sie sind unsere Kund*innen, unsere Kolleg*innen, unsere Freund*innen, unsere Partner*innen, Teil unserer Familien und wir.

Es ist selten, dass im Laden krass verletzende Sprüche kommen. Doch wir sind davon überzeugt, dass das Wissen, da würde jemand was sagen, wenn was käme, den Einkauf erheblich angenehmer machen kann. Deshalb möchten wir uns schützend vor euch stellen und solidarisch an eurer Seite sein. Und auch wenn das bedeutet, dass wir mal was abkriegen: Wir bleiben für euch stabil.

*Druko = Drunterkommentar, Antwort auf einen Beitrag // Drüko = Drüberkommentar, Antwort über einem zitierten Beitrag.

Autor:

Ich bin Anne-Luise, Bra-Fitterin aus Leidenschaft. Was 2010 als Hobby bei busenfreundinnen.net angefangen hat, wurde Ende 2012 zu meinem Beruf. Mit meinem Unternehmen BH LOUNGE biete ich persönliche BH-Größenberatung in Hannover. Leider kursieren in Deutschland viele Mythen rund um den BH und das Angebot an passenden Schnitten und Größen ist eher übersichtlich. Das möchte ich gerne ändern.

14 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Danke, liebe Anne. Ein fantastischer und zu Herzen gehender Text! Aber auch schlimm, dass es nötig ist, diese Worte zu posten. Eigentlich muss es selbstverständlich sein, dass jede*r so sein darf, wie sie/er möchte. Wir sind ja schon auf dem Weg ein Stück vorangekommen und werden jetzt so ausgebremst. Das frustriert mich ungemein und macht mir auch Angst. Deshalb bin ich sehr dankbar für deine Worte

  2. Vielen Dank für diesen tollen Beitrag und diese Leidenschaft, mit der ihr für andere Menschen da seid! Ich hoffe, dass ihr noch lange sehr viel Erfolg haben werdet und hab euren Shop deswegen auch auf Bluesky geteilt.

  3. Danke für den tollen Beitrag und die klare Positionierung, weil Offenheit und Sicherheit und Menschenwürde politische Themen sind

  4. Hallo liebe Anne-Luise,
    ersteinmal: Danke für diesen wunderschönen Blogbeitrag. Als transmaskuläre nicht binäre Person wäre ich spätestens nach diesem Blog mit vollkommener Sicherheit zu euch in den Laden gekommen um BH oder Binder zu kaufen. Nach der Mastektomie benötige ich beides nicht mehr, aber das es überhaupt solch einen Safe-Space gibt in DE berührt mich wirklich zutiefst.

    Auch die Idee mit den Weitergeb-Gutscheinen ist so wundervoll, ich möchte weinen.
    Ich weiß gar nicht, was ich sonst noch groß schreiben soll, denn du hast eigentlich schon alles so perfekt gesagt, außer:
    Ich werde immer Fan von euch sein und nur zu gerne bei Unterwäsche Struggles von Freund*innen und Bekannten an euch verweisen und werde euch immer gute Wünsche schicken, dass dieser Safe-Space so lange wie möglich von euch erhalten bleiben kann.

    Politisch sein kostet oft Kraft und wie du richtig geschrieben hast auch Geld.
    Und solltet ihr mal Hilfe wegen Grafik Dingen brauchen- schreibt immer gern eine Mail.
    Ich bin zwar mittlerweile durch zweites duales Studium in der Rentenversicherung gelandet, bin aber von Haus aus Illustrator.
    Und wenn ich durch Studentensein gerade nicht viel finanziell unterstützen kann, möchte ich zumindest andere Unterstützung anbieten. ♡

    Ihr seid wirklich Klasse, macht weiter so und verliert nicht den Mut, den Andere euch wegnehmen wollen.
    Das was ihr tut ist wichtig und so so richtig in einer Welt in der gerade vieles falsch läuft.

    Beste Grüße
    René / Max Improving

  5. Liebe Anne-Luise,

    dein Beitrag hat mich sehr berührt. Vielen Dank für die klaren Worte, für den Anstand und Mut und euer Herzblut! Es braucht so dringend Menschen wie euch und Geschäfte wie euch, die diese Akzeptanz und Vielfalt leben.
    Ich wünsche dir, euch und uns allen viel Kraft fürs weitermachen, für den Widerstand gegen rechte Gesinnung und für eine bessere Welt!
    Danke danke danke!
    Solidarische Grüße aus Bremen ;)

  6. Wenn es möglich wäre würde ich einen schützenden Kokon um euch weben, aus dem ihr jederzeit raus könnt, in den aber nur rein kommt, wwas ihr mögt.
    Anne-Luise, du, ihr seid toll!

  7. Danke für deinen und Euren Mut!
    Tröstet, macht Hoffnung, und steckt an…

  8. Liebe Anne-Luise,
    was für ein toller Beitrag! Du sprichst mir aus dem Herzen.
    Sich politisch aufzustellen ist wichtig – auch wenn es unbequem sein kann, die eigene Meinung gegen rechte Störenfriede laut zu vertreten.
    Macht bitte weiter so! Ich stehe an eurer Seite!

  9. Was für ein kraftvoller Text! Ein ganz ganz großes Danke and ich!

  10. Liebe Astrid,
    Danke für deine Worte. Ich denke, wir müssen zusammenhalten und dürfen jetzt nicht nachlassen. Ich hoffe darauf, dass alle erkämpften Freiheiten und Rechte nicht wieder komplett zurückgedreht werden.

  11. Hallo René,

    tausend Dank für deine Worte und das Angebot uns zu unterstützen. Das ist großartig und ich kann mir gut vorstellen, dass wir darauf zurück kommen werden. Ich finde es schön, dass du dir Gedanken gemacht hast und uns so eine ausführlichen Kommentar geschrieben hast. Gerade trans Personen kommen sehr oft zu uns und deshalb finden wir es besonders wichtig, immer wieder laut für sie zu sein.

  12. Liebe Anne-Luise, vor allem ein riesiges DANKE fuer Deinen Kommentar!!! Mir hast Du mit jedem Wort aus dem Herzen gesprochen bzw. geschrieben. Hoffentlich haben ganz viele Menschen Deine Abhandlung gelesen und auch weitergegeben. Eigentlich sollte die U msetzung Deiner Gedanken in einem demokratischen Land eine Selbstverstaendlichkeit sein!!
    Fuer mich hat sich die Erkenntnis ergeben, dass ich oft aus Gedankenlosigkeit (oder auch Feigheit?) meine Meinung nicht ernsthaft geaeussert habe. Vielleicht hilft Dein Aufruf ja, wenigstens ab und zu.
    Es gibt da allerdings einen Punkt, in ich nicht mit Dir uebereinstimme, und zwar das Verbot der Afd. Keineswegs, weil ich in irgendeiner Form mit deren widerwaertigem Gedankengut uebereinstimme, sondern aufgrund meines jahrzehntelangen Lebens in einer Diktatur erfahren habe, dass Verbotenes eine besondere Anziehungskraft ausuebt. Ich glaube, dass die Umsetzung Deiner Philosophie in grossem Rahmen Extremisten wie den vorgenannten ganz einfach die Grundlage fuer deren Zulauf nimmt.
    Aber summa sumarum: auch am Ende meiner Nachricht ein vielfaches herzliches DANKE und meine groesste Hochachtung fuer Deinen gelebten Beitrag.
    TI 46

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